Was hat der Teppich von Bayeux mit der Oberlausitz zu tun? Auf den ersten Blick nichts. Doch die hiesigen Archäologen wären froh, hätten sie hier ein ebensolches Zeugnis aus dem frühen Mittelalter. Denn der Teppich schildert sehr detailgetreu Geschehnisse zwischen England und Frankreich im 11. Jahrhundert. Dabei ist nicht nur die Schlacht bei Hastings 1066 Gegenstand, sondern auch das Alltagsleben. Das Museum Bautzen ist sehr stolz, dass es für seine Ausstellung „Burgen, Scherben, Schläfenringe - Regionale Archäologie des Mittelalters“ eine Fotokopie im Maßstab 1:2 in die Oberlausitz holen konnte. Die Ausstellung wurde am Sonnabend eröffnet und ist bis zum 21. Februar zu sehen. Bei der Ausstellungseröffnung kam der Gedanke auf, dass man anlässlich der Rückgabe der Fotokopie eine Bildungsreise für interessierte Oberlausitzer in die Normandie veranstalten könnte.
Was mag das für ein Auszug gewesen sein? Im Jahr 1859 verlassen die Schäfer Mickan und Engelmann Kleinbautzen Richtung Südamerika. „Sie werden in der Republik Buenos Aires bei einem Großgrundbesitzer ... arbeiten. Mit ihnen reisen zwölf vorzügliche, sogenannte Negretti-Schafe...“, schreibt damals die Sorbische Zeitung über die Weltenbummler. Die Anekdote fand Marko Greulich bei seinen Recherchen zum Buch „Zwischen Lutherberg und Löbauer Wasser“. Gerade erschien es im Domowina-Verlag.
Nicht jeder, der gern liest, ist auch ein Liebhaber von Gedichten. Und was macht man als ein solcher Nichtliebhaber, wenn einer der interessantesten, fantasiebegabtesten und produktivsten sorbischen Schriftsteller nun mal Dichter ist? Man lässt sich ab und an von Kito Lorenc ins Lyrikland verführen und freut sich ansonsten umso mehr, wenn, wie jetzt, ein Buch mit Prosastücken von ihm erscheint. „Der zweiseitige Beitrag/Wěsty dwustronski přinošk“ heißt das neue, das in wenigen Tagen druckfrisch beim Domowina-Verlag zu haben ist. Auf rund 270 Seiten versammelt es im Kern deutschsprachige und sorbischsprachige Stücke der letzten zwei Jahrzehnte, mehr deutsche und nur wenige, wie der titelgebende Text und die eröffnende Erzählung, in beiden Sprachen.
Das Plakat verspricht interessante Begegnungen. In vier verbundenen Räumen wird der Besucher von einem zum nächsten der 25 Künstler gelockt. 185 Arbeiten wurden in den letzten fünf Jahren vom Sorbischen Museum Bautzen erworben und fanden Eingang in die ca. 6 900 Exponate umfassende Kunstsammlung. Nun werden sie veröffentlicht.
Welch ein Trost. Zwischen Zeitungen, Terminzetteln und Steuerbescheid hat ein kleines Buch Platz genommen: „Windei in der Wasserhose des Eisheiligen“. Ein Umschlag wie Leinen, der Titel witzig, Untertitel und Name vielversprechend. Braucht die Welt denn Lyrikbände? Gewiss, sie braucht. Man hat schließlich nicht oft Gelegenheit, sie vorgelesen zu bekommen. Darum lassen sich Verlage immer neue Schönkleider für ihre Editionen einfallen. Dem Poetenladen sei Dank, diese ist ein Handschmeichler.
Was es mit den Schmungks auf sich hat? Die Fußnote wird geliefert, gemeint ist Zusammengekochtes. Irgendwie erscheint das schelmische Gesicht von Kito Lorenc, liest man seine Vorbemerkung. „Das Leben zwischen Eros und Erosion nutzen für Gedichte, die auf Potjomkinsche Städte und Böhmische Dörfer wirken müssen wie Wind, Wasser, Eis: abträglich.“ Ein Glück, wir sollen unterhalten werden, auch wenns manchmal weh tut. So wie‘s Leben eben.
Es ist keine Reise in eine andere Welt. Es ist eine Reise in unsere Welt – in diejenige, in der wir leben. Karl Vouk, Architekt und Künstler aus Klagenfurt, führt uns vor Augen, was wir einfach nicht sehen wollen, wovor wir uns fürchten und dessen wir uns schämen. Alle wissen wir vom Verlust unserer Heimat, doch wir wollen es nicht glauben, dass sie uns verlustig geht. Schließlich sichern uns Gesetze unsere Zukunft – schwarz auf weiß. Doch wer genau hinter das schaut, was schwarz auf weiß in den Verfassungen des Landes Brandenburg und des Freistaates Sachsen steht, erschrickt, sobald er dem die Realität entgegensetzt. Und genau das macht der Kärntner Slowene Karl Vouk – er schaut dahinter. Das Sorbische Museum in Bautzen stellt derzeit seine Arbeiten aus, gewidmet der Lausitz, ihrem Gewinn und Verlust. Er ist es, der uns ganz direkt, mit großer Sanftheit zu Gedanken bewegt, die bisher schliefen. Es sind geschlossene Augen, die uns als Betrachter bisher daran hinderten, die Zukunft unserer Heimat wahrzunehmen.
Was können Bücher nicht alles sein: Wegbegleiter, die man immer wieder trifft, Fundgruben, in denen man das passende Zitat findet, Grüße aus einer anderen Welt. Oder Liebesbriefe. Dieses Buch scheint mir ein Liebesbrief zu sein. Es trägt Vieles zusammen, was der geliebten Lausitz zugeschrieben werden kann. Es erzählt vom ersten Kennenlernen wie Peter Handke, es gräbt in den Schatzkammern der Familiengeschichte wie in der namenlosen Beschwörung um 1532, es beteuert den Glauben an die Geliebte wie Jakub Bart Ćišinki. All das wird in Liebesbriefen auch getan.