Der Schatten der Corona-Pandemie überdeckte im Jahr 2020 auch das sorbische Leben. Viele traditionelle Veranstaltungen mussten abgesagt oder, wie die Europeada, terminlich verschoben werden, da sie dem Virus wohl eine zu schnelle Weiterverbreitung ermöglicht hätten.
Corona hat es aber nicht geschafft, das sorbische Leben zum Erliegen zu bringen. Der Sprung vom Analogen ins Digitale gelang in vieler Hinsicht recht eindrucksvoll. Noch vor Jahresfrist war es kaum vorstellbar, das jährliche Treffen der sorbischen Intelligenz, die Schadźowanka, im Netz zu feiern. Ob dieses Ereignis, Chorproben oder ungezählte Webinare – das alles sind Beispiele für eine tatkräftige und richtungsweisende Unterstützung aus dem Studio Bautzen des Sächsischen Ausbildungs- und Erprobungskanals SAEK. Dabei ist eines gewiss: Der SAEK Bautzen wird weiterhin dringend benötigt, egal wie lange die Pandemie noch andauert.
Funktionierende sorbische soziale Beziehungen sind ein hohes Gut. Gerade unter den Bedingungen der Corona-Pandemie jedoch sind sie stark eingeschränkt. Dass die Infektionen im Landkreis Bautzen immer noch zu den höchsten der ganzen Bundesrepublik zählen, ist gewiss keine beruhigende Nachricht.
Vor diesem Hintergrund ist eine Statistik ernüchternd, die der sorbische Dachverband Domowina erstellt hat. Erstmalig übermittelte das Landratsamt den Bürgermeistern und Kreisräten am ersten Novemberwochenende eine Liste aktueller Zahlen zu den Corona-Infizierten je Gemeinde. Dawid Statnik, Kreisrat der CDU und Vorsitzender der Domowina, stellte diese Zahl der jeweiligen Einwohnerschaft gegenüber und fand heraus, dass mehrere sorbische Kommunen prozentual die meisten infizierten Bewohner aufweisen.
Europas Minderheiten können und sollten sich mit Recht selbst feiern. Im Europäischen Parlament fand am 15. Oktober eine Anhörung zur Stärkung des Minderheitenschutzes statt. Mit einem Bürgerbegehren ist es den Minderheiten gelungen, 1 Million Unterschriften zu sammeln, um für mehr Minderheitenschutz einzutreten! Dies allein ist schon ein imposanter Erfolg. Die Dachorganisation der Minderheiten, die Föderalistische Union Europäischer Nationalitäten (FUEN), hat es geschafft, eine Solidargemeinschaft von Südtirol bis zu den Szeklern in Rumänien, von den Katalanen in Spanien bis zu den Westfriesen in den Niederlanden zu schmieden.
Das in der Niederlausitz gewachsene sorbische/wendische Siedlungsgebiet erfordert sehr wohl eine größere kommunale Aufmerksamkeit. Doch dass der Landkreis Dahme-Spreewald nun der Domowina, dem Dachverband sorbischer Vereine und Regionalverbände, als förderndes Mitglied beitreten möchte, ist eine Entwicklung, die selbst zu Beginn dieses von der Corona-Pandemie geprägten Jahres nicht absehbar war.
„Unsere sorbische Welt ist viel größer, als wir uns dessen oftmals bewusst sind.“ Diesem Satz von Dawid Statnik, Vorsitzender der Domowina, wird das geplante „Jahr der Regionalverbände“ (Lěto župow) des Dachverbands sorbischer Vereine eine besondere Aufmerksamkeit abverlangen. Mit dem in den letzten Wochen konstituierten Vorbereitungsausschuss ist die Grundlage geschaffen, um mit zielgerichtetem Handeln interessante Veranstaltungen zu organisieren.
Beginnen soll das Jahr der Regionalverbände am 24. Juli 2021 und bis 2022 andauern. An diesem Tag vor einhundert Jahren beschloss die Delegiertenversammlung sorbischer Vereine in Hoyerswerda, sogenannte Unterverbände, sorbisch župy, zu bilden, um die Tätigkeit der nationalen Organisation besser zu strukturieren. Damals entstanden die heutigen Regionalverbände „Jan Arnošt Smoler“ Bautzen, „Handrij Zejler“ Hoyerswerda und „Michał Hórnik“ Kamenz. In der Niederlausitz war mit diesem Beschluss ein Unterverband „Hendrich Jordan“ Cottbus vorgesehen.
Gleich zweimal steht das Sorbische zur Zeit im Mittelpunkt von Kampagnen der sächsischen Staatsregierung. Zum einen ist es die des Sächsischen Staatsministeriums für Wissenschaft, Kultur und Tourismus „Sorbisch? Na klar.“, die im Februar angelaufen ist; zum anderen die Ende des Schuljahres ins Leben gerufene Kampagne „Čakamy na tebje! – Wir warten auf dich!“ des sächsischen Kultusministeriums. Ich finde es toll, denn in beiden Fällen ist das Sorbische auf großen Werbeflächen und sogar auf Bussen in der Region klar sichtbar. Deshalb auch der Staatsregierung und dem Ministerpräsidenten Sachsens Michael Kretschmer ein dickes Lob!
2020 ist ein seltsames Jahr. Seltsam, weil wir auf viele Gewohnheiten verzichten müssen. Seltsam aber auch, weil das eingespielte Verhältnis zwischen Sorbisch und Deutsch in der Lausitz ins Rutschen gerät – in die richtige Richtung.
Ob es die sächsische Imagekampagne ist, die Wegweiser und Ortstafeln, an denen plötzlich sorbische Namen gleichberechtigt stehen, ein geplanter zweisprachiger Rundweg auf den sagenumwobenen Lubin (Drohmberg) am äußersten Rand des Sorbenlandes oder die – komplett zweisprachige – Neugestaltung sämtlicher Bushaltestellen im Siedlungsgebiet. Und sowohl die „Kulturstrategie Lausitz“ als auch die Hochglanzbroschüre der Zukunftswerkstatt Lausitz über die Sorben, beide kürzlich erschienen, betonen nicht mehr das „Exotische“ oder „Fremde“ im Sorbischen, sondern dessen Rolle als Scharnier, das die Lausitz zusammenhält. In all dem lässt sich ein neuer Umgang mit der kleineren einheimischen Sprache erkennen.
Der neue Sächsische Rat für sorbische Angelegenheiten arbeitet. Dieser einfache Satz drückt eine große Erleichterung aus. Schließlich verstrich ein halbes Jahr, ehe die vom Bundesvorstand der Domowina nominierten Personen sowie der von den sorbischen Kommunen Entsandte gewählt waren und sich als neues Gremium konstituiert hatten. Gewiss trug die Corona-Krise ihren Teil zu der Verzögerung bei. Doch es sind Aufgaben einfach aufgeschoben worden, die den nun aktiven Ratsmitgliedern den Einstieg nicht unbedingt erleichtert haben.
Mit dem Standpunkt zur Einführung von Gesamtschulen sowie der erwarteten Fürsprache, an den Sorbischen Oberschulen Ralbitz und Räckelwitz im Schuljahr 2020/2021 jeweils zwei fünfte Klassen zu bilden, ist der Rat trotz des zeitlichen Drucks beachtlich in seine Wahlperiode gestartet.
Die Corona-Pandemie hat die Welt weiterhin fest im Griff und eine Normalisierung rückt, so scheint es, täglich weiter in die Ferne. Da sind Informationen zur Krise und zu Maßnahmen das A und O.
Die Gewalt gegenüber dem Unbekannten und vermeintlich Fremden nimmt zu. Dies zeigen die jüngsten Ereignisse von Hanau und zuvor in Halle sowie auch im sorbischen Siedlungsgebiet. Erst unlängst gab es erneut Übergriffe von mutmaßlich Rechtsradikalen auf sorbische Jugendliche. Wohin soll dies alles noch führen, frage ich mich öfter denn je und bin nicht der Einzige. Laut werden auch Stimmen, dass die Politik eine Mitverantwortung trägt, weil einige gewählte Vertreter, die sich selbst als Alternative in unserem Land sehen, alles Unbekannte – kurz alles Fremde –, als Bedrohung darstellen und Hass aussäen.